Von den Schwierigkeiten eine Kollekte abzuhalten (1868)

 

Zuerst zur Vorgeschichte:
Die evangelische Kirche in Oberwambach, auch Kapelle genannt, musste 1842 wegen Baufälligkeit geschlossen werden. Sie wurde um 1400 als Nachfolgekirche einer Holzkirche errichtet und war schon längere Zeit in keinem guten Zustand mehr.

Im reformierten Kirchenbuch aus dem Jahr 1770 gibt es dazu folgende Anmerkung: „Es wird mir der geneigte Leser vergönnen, dass ich unseren Nachfahren folgende Fatalitäten, die bei uns vorgefallen sind, in wenigen Buchstaben nach meiner Einfalt hierin annotiere, als da sind: Erstens wurde dem Kirchspiel durch Anstiftung eines evangelischen lutherischen Geistlichen, namens Johann Henrich Krausoldt, so zu Almersbach gestanden, vor 16 Jahren die Reparatur an der Kapelle zu Oberwambach inhibiert, unter dem falschen Schein, weil sie schlecht im Stande wäre, eine neue zu bauen, um seinen Zweck zu erreichen, dass sie zugrunde gerichtet würde, und das ganze Kirchspiel nach Almersbach beisammen mit einem Gottesdienst zu verbinden.“ Pfarrer Krausoldt war von 1732 bis 1768 lutherischer Pfarrer zu Almersbach. Der Schreiber im Kirchenbuch unterstellt ihm, dass er die Kapelle nicht reparieren wollte, um sie zugrunde zu richten. Karl Ramseger schreibt in seiner „GESCHICHTE DER HEIMAT“, dass die Pfarrer – bis zur Union waren es zwei, ein lutherischer und ein reformierter – den Weg nach Oberwambach und damit verbunden auch die doppelten Gottesdienste nicht gerne machten. Wie es auch sei, das Gotteshaus in Oberwambach war in einem schlechten Zustand und

1842 überlegte man, ob man es renovieren solle. Die Kosten würden etwa 1000 Taler betragen.

Die Repräsentanten zweifelten, ob sich die Kirchengemeinde dies leisten könne. Sie hatten ja nicht nur die Kosten der Gotteshäuser zu tragen, sondern mussten auch die Schulhäuser unterhalten. Es wurde abgestimmt. 12 Stimmen für die Wiederherstellung und 12 Stimmen dagegen.

Am 7. April 1842 ordnet Landrat Koch von Altenkirchen die Schließung wegen Baufälligkeit an. Am 2. Osterfeiertage, dem 18. März 1842, fand der letzte Gottesdienst in Oberwambach statt. Aber die Oberwambacher gaben nicht auf.

Mehrere Einwohner machten zwei Eingaben an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz, dass die Kapelle ihnen erhalten bleibe. Es wurde eine bautechnische Untersuchung angeordnet. Das Ergebnis war niederschmetternd. Es wurde festgestellt, dass die Reparaturen nicht möglich und unzweckmäßig sind, der jetzige Zustand gefährlich und daher der Abbruch unabwendbar wäre. Aus polizeilichen Gründen wurde dem damaligen Landrat Freiherr von Hilgers, er war der Nachfolger von Landrat Koch, die Sorge für den Abbruch übertragen. Er schreibt an das Presbyterium und fragt, ob sie die Kapelle abbrechen lassen oder auf den Abbruch versteigern lassen wollen.

Die Antwort war, dass die Oberwambacher ihre Kapelle erhalten haben wollten und ihre Bemühungen nur darauf gerichtet waren die erforderlichen Baumittel herbeizuschaffen. Sie schrieben: „dass der Fall der Kapelle eine große Trauer in einem Teile der Gemeinde erregen und dem Abbruch sogar Hindernisse in den Weg gestellt werden möchten“. Das Presbyterium wollte nicht am Abbruch der Kapelle teil haben. Der Älteste Schmidt von Oberwambach erklärte, dass er nichts unternehme, bevor nicht die letzte Eingabe der Einwohner beschieden worden sei.

Dann wurde von der Königlichen Regierung zu Koblenz der Abbruchtermin auf den 3. Dezember 1847 bestimmt. Noch einmal wehrten sich die Oberwambacher. Sie bewaffneten sich mit allen möglichen Mordinstrumenten, Mistgabeln, Spaten, Knüppel usw. und stellten sich dem Landrat und den beiden Gendarmen entgegen. Die Herren mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen. Allerdings kamen sie wieder, verstärkt mit den Gendarmen der ganzen Umgegend. Da gaben die Oberwambacher auf und die Kapelle wurde niedergelegt. Das Material wurde verkauft. Der Erlös des Bretterwerks belief sich auf 56 Taler. Auf dem Platz der Kirche errichtete man einen Glockenstuhl, in dem morgens, mittags und abends und bei Trauungen und Beerdigungen geläutet wurde.

Die Gottesdienste fanden seitdem ausschließlich in der Kirche zu Almersbach statt. Die Oberwambacher trauerten ihrer Kirche nach. Sie fanden den Weg nach Almersbach zu beschwerlich, und sie hielten die dortige Kirche für zu klein für alle Gemeindemitglieder.

Aber was sollte man tun?

Die Kirchengemeinde sah sich finanziell nicht imstande ein zweites neues Gotteshaus zu bauen. Die Kirche zu Almersbach wurde erst vor ein paar Jahren 1832/33 renoviert, ebenso die alten Pfarrgebäude und außerdem hatte die Gemeinde die Schulhäuser in Gieleroth und Fluterschen gebaut. Dies war notwendig geworden, weil die fünf Dingschulen des Kirchspiels zu zwei Bezirksschulen zusammengefasst worden waren, Daher waren die Mittel der Gemeinde geschwächt. Sie waren sowieso beschränkt, denn sie besaß keine Reichtümer. Spenden waren gering und selten. Die Kirchspielseinwohner waren meist Bauern, die anderen arbeiteten auf der Jagenbergschen Papierfabrik. Ein Arbeiter verdiente dort 13-15 Groschen am Tag und ein Maschinenführer 20 Groschen. Dies war noch nicht einmal ein Taler, denn dieser bestand aus 30 Groschen. Almersbach hatte zur dieser Zeit 170 Einwohner, Oberwambach fast 300 Einwohner.

Trotzdem ließen die Oberwambacher nicht nach in dem Wunsch, eine eigene Kirche zu bauen.

1864 machten sie die ersten Vorschläge. Mehr als 20 Jahre nach dem Abbruch der Waldkapelle. Das Geld für die neue Kirche sollte durch ein Darlehen, eine Kirchen- und Hauskollekte und Eigenleistung beschafft werden. Die Kosten senken sollte das Angebot der Gemeinde in ihrer Gemarkung unentgeltlich Mauersteine zu brechen und sie an die Baustelle zu liefern.

Die Rheinische Provinzialsynode nahm dies wohlwollend zur Kenntnis und bewilligte 100 Taler. Etwas später nochmals 440 Taler.

Nun wurde beschlossen eine neue Kirche zu bauen. Die Kirchengemeinde ließ sich einen Kostenvoranschlag machen. Als Beispiel nahmen sie die Schöneberger Kirche. Diese, sowie das Schöneberger Pfarrhaus und 19 Gehöfte waren bei einem Brand 1854 zerstört worden.

Die neue Kirche in Oberwambach sollte 7700 Taler kosten. Das war vergleichsweise preiswert, hatte doch die katholische Kirche in Gebhardshain, die 1862 erbaut wurde, 16.500 Taler gekostet, also mehr als das Doppelte. Die Bauleitung für die Oberwambacher Kirche wurde dem Bauunternehmer Dickel aus Nümbrecht übertragen.

2000 Taler wurden aus der Provinzialhilfskasse geliehen. Diese Kasse gewährte Darlehen an Kommunen, Kirchengemeinden und Kooperationen. Der Oberpräsident saß in Koblenz und hieß Adolf von Pommer Esche. Es gab zwar seit 1858 die Kreis-, Spar- und Darlehnskasse in Altenkirchen, aber Sparbeiträge gingen nur wenige ein. Die Kasse lieh meist nur kleinere Summen. Spar- und Darlehnskassen nach Raiffeisen gab es erst kurz später. 1869 wurde eine Zweigstelle in Almersbach eingerichtet. Diese Kasse diente mehr dem Ankauf von Vieh und Getreide.

Für den immer noch fehlenden Betrag, ca. 5000 Taler, sollte eine Kollekte beantragt werden. Dies war gängige Praxis. Die Finanzierung eines solch großen Baues wäre sonst für die Gemeinde ein unlösbares Problem. Birnbach musste z.B. 7 Jahre warten, bis sie das Geld zusammen hatten um ihren Kirchturm, der vom Blitz getroffen worden war, wieder aufzubauen.

Der Antrag für eine Kollekte war an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz zu stellen. Die Rheinprovinz war 1822 aus der Grafschaft Jülich-Kleve-Berg und dem Großherzogtum Niederrhein entstanden und hatte ihren Sitz in Koblenz. Die Antragstellung und -gewährung war wohl nicht immer so einfach, wie es die Raubacher berichteten. Sie wollten ihre Kirche erweitern und beschrieben, dass die behördliche Genehmigung nur schwer zu erreichen gewesen wäre.

Der Oberpräsident der Rheinprovinz hat dem Antrag der Oberwambacher aber problemlos stattgegeben und es wurde eine Kollektierung innerhalb der Rheinprovinz, d.h. in allen Synoden zwischen Saarbrücken und Kleve, genehmigt. Dabei galt der in der 12. Rhein-Provinzial-Synode S. 156 pos.5 empfohlene Erfolgsmodus zu befolgen. Danach kann eine Kollekte nur erhoben werden, wenn sich ein guter Erfolg verspricht.

Pfarrer und Superintendent Brauneck, seit 1861 in Almersbach, setzte sich nach Erteilung der Genehmigung an seinen Schreibtisch und schrieb an alle seine Amtsbrüder in der Rheinprovinz. Telefonieren konnte er noch nicht. Die erste Fernsprechverbindung im Kreis Altenkirchen wurde erst 1885 zwischen Altenkirchen und Weyerbusch eingerichtet. Pfarrer Brauneck fragte die Pastoren, ob in ihren Kirchengemeinden kollektiert werden dürfe, ob es sich lohnen könne und wer am besten die Kollekte einsammeln solle.

Die Antworten trudelten spät und unvollständig ein, manch Pfarrer musste auch noch einmal erinnert werden. Allgemein herrschte Unverständnis, dass die königliche Regierung wegen einer so kleinen Geldnot solche Umstände macht. Aus den Antworten konnte Pfarrer Brauneck entnehmen, dass die Durchführung einer Kirchen- und Hauskollekte gar nicht so einfach war.

Neben der Genehmigung des Oberpräsidenten der Rheinprovinz musste eine Kollekte auch von den Presbyterien der angefragten Kirchengemeinden genehmigt werden. In dieser „collecto gratificate“ wurde festgehalten, ob eine Sammlung abgehalten werden konnte und auch wer sie ausführt.

Mancher Kirchengemeinde machte es jedoch zu viel Mühe und Beschwerde, wegen jeder Kollekte eine Sitzung abzuhalten. Sie erlaubten Sammlungen auch ohne Presbyterialempfehlung, so z.B. in Elberfeld und Barmen, wo es acht reformierte und lutherische Gemeinden gab. Durch die Webwarenerzeugnisse und die chemische Industrie zählten sie zu den reichsten Gewerbe- und Handelsstädte Europas und war bei Kollektenreisen beliebt.

Wichtig war auch der Zeitpunkt der Sammlung. Da machten die Pfarrer hilfreiche Vorschläge.

So empfahl Pfarrer Möcheler von Wuppertal: „Wenn ein Collectant mit allen Winden spielen will, so kommt er nicht vom Fleck. Es gilt frisch an die See zu fahren, das übrige findet sich.“ Das heißt, die Kollekte sollte möglichst früh im Jahr abgehalten werden.

Dem stimmt der Pfarrer von Düren zu, da „der Frühling dergleichen Zugvögel uns zuführen wird.“

Der Kollektant für Stromberg, das zu Herchen gehörte und in der Gemeinde Windeck lag, Meister Hammel, bat auch um einen zeitigen Beginn, da er später Konfirmations-Kleidungsstücke anfertigen müsse. Er fordert pro Tag eine Entlohnung von 1 Taler 5 Silbergroschen und wenn er noch mehr Synoden bereisen dürfe, wäre es mehr der Mühe wert und er könne seinen Eifer im Sammeln zeigen.

Der Pfarrer von Recklinghausen gab zu bedenken, dass die Kollekte auch zur rechten Zeit geschehen solle und die Angelegenheit nicht in die Länge gezogen werden solle und dann schließlich in Vergessenheit geraten könne. Er sprach aus Erfahrung, denn die evangelische Gemeinde hatte im Jahr 1847 ihre Kirche gebaut. Der Pfarrer von Viersen empfahl die Sammlung vor Pfingsten durchzuführen, da sich hinterher die Kollekten „breit machten“.

Im Gegensatz dazu bat die Gemeinde Trarbach erst nach der Ernte zu kollektieren, da sich vorher kein geeigneter Kollektant finden würde.

Apropos Kollektant:

Der Kollektant spielt bei der Sammlung eine wichtige Rolle. Meist wurde die Aufgabe den Küstern, größeren Kindern (Erstfirmanden), Mitgliedern der Gemeindevertretung oder der Presbyterien, Pfarrern, Ältesten der Gemeinde, Kirchenvorstehern oder eigenen Deputierten übertragen.

Lehrer wurden „nach anderweitigen Erfahrungen“ als Kollektanten in der Ferienzeit ausgeschlossen. Die Gemeinde Veldenz lud den Kollektanten Lehrer Schmoll, seit 1864 Lehrer in Fluterschen, sogar aus „da er doch nicht viel erhalten wird“. Sie wollten selbst dafür sorgen, dass mehr Taler zusammenkommen.

Der Kollektant musste auf jeden Fall ehrlich sein und was er gesammelt hatte bis auf den letzten Pfennig abliefern. So wurde aus der Gemeinde Stromberg berichtet, dass hier ein frommer Schmiedemeister sammelte, der als redlich galt und die Kollekte vollständig abgeliefert hatte.

Oft führten die Kollektanten ein Tagebuch, in welchem die Abrechnungen aufgeführt waren.. Von Vorteil war auch, wenn der Kollektant im Sammeln geübt war und die namhaften Familien, wo es sich lohnen könnte anzufragen, kannte. So hatte die Stadt Köln eigene Kollektanten. Diese kannten, laut Aussage des Pfarrers, die offenen und verschlossenen Türen und Herzen und auch die Reihenfolge, in der die Besuche zu machen waren. (wenn der gegeben hat, gebe ich auch)

In manchen Gemeinden bekam der Küster, wenn er die Aufgabe übernahm, eine Entschädigung. Diese wurde aus dem gesammelten Betrag entnommen, minderte also den Ertrag der Kollekte. In anderen Gemeinden wurde davon abgeraten, die Sammlung gegen Vergütung durchzuführen. Dies hätte sich nicht bewährt und hätte noch weniger Erfolg. Eine Empfehlung durch den Pfarrer wurde als „unthunlich“ angesehen.

Voraussetzung für einen guten Kollektanten waren auch seine Geographiekenntnisse. Es war schon vorgekommen, dass ein falscher Mann in der falschen Gemeinde sammeln wollte, was zu einem Verbot der Kollekte führte. Der Kollektant musste bei dem zuständigen Pfarrer benannt und angemeldet werden.

Der Pfarrer von Oberklenn, das ist ein Ortsteil von Langgöns im Landkreis Gießen, schrieb zur Sammlung durch Presbyter: „Die Mitglieder der Presbyterien unterziehen sich sehr ungern diesem Geschäft und wenn sie dazu genötigt werden, so lösen sie ihre Aufgabe möglichst leicht und flüchtig. Es gäbe auch so viele Kollekten, dass kein Presbyteriumsmitglied mehr bereit sei zu sammeln.“

In vielen Antworten wird Pfarrer Brauneck geraten eigene Kollektanten zu schicken. Und auch er selbst machte sich auf den Weg und sammelte in Elberfeld und Barmen. Dabei bemitleidete er sich, dass „er armer Schlucker noch die Last eines Kollektannten in seinen alten Tagen tragen muss.“

Die „flutende Menge“ der Kollekten stellte ein Problem dar. Pfarrer Otto von Veldenz fragte nach zwei Hauskollekten für Sederborn und Tost in Schlesien. „Muß das sein?“ Die Gemeinde Beselheim lehnte die Sammlung für Oberwambach ab, weil derartige Forderungen zu oft kämen. Bei der steigenden Zahl der Kollekten und der Teuerung des Lebens wäre der Erfolg gering. In Dörrenbach war auch kaum noch jemand zum Sammeln zu bewegen, auch nicht durch Geld.

So wurde zur gleichen Zeit wie für Oberwambach auch für Garbenheim gesammelt. Garbenheim ist heute ein Stadtteil von Wetzlar. Dort waren bei einem großen Brand 1866 die Kirche, das Pfarrhaus und viele Häuser, Ställe und Scheunen zerstört worden. Die Gemeinde Gmünd sah die Sammlung für Garbenheim als dringender notwendig an, als für Oberwambach. In Zwickel bedauerte man, dass man nichts abgeben könne, da sie selbst durch einen Hagelschlag empfindlich getroffen worden waren. Der Pfarrer von Bernkastel lehnte die Sammlung auch ab, da die meisten Mitglieder seiner Gemeinde in Not wären. Die herrschende Teuerung ließ die Armut ansteigen.

Manche Gemeinde gewährte einen Zuschuss aus der Armenkasse oder schickte schlichtweg einen Taler nach Almersbach um der Kollekte zu entgehen, so Superintendent Miersmann von Rengsdorf und Pfarrer Otto von Veldenz.

Nicht immer wurden die Kollektanten gut behandelt. So kam der aus Solingen „Hals über Kopf“ zurück und schwor „nie wieder zum collectieren auszugehen“. Leider ist nicht überliefert, was dem armen Mann in Solingen zugestoßen war. Oft kamen die Kollektanten mit leeren Händen zurück. Dann war die Enttäuschung groß Jakob Kehl aus Mahlert sammelte im ganzen „Nederland“. Er beschrieb seine Reise als mühevoll. Christian Fuchs aus Fluterschen, der in Rees und Emmerich unterwegs war, bemängelte die ungünstigen augenblicklichen Zustände. Die Privatzahlbarkeit wäre mannigfach in Anspruch genommen.

Im Jahr 1867 gab es infolge schlechter Wetterverhältnisse gefolgt von Missernten in Ostpreußen eine Hungersnot. Auch dafür wurde gesammelt.

Aber nicht nur die Wetterverhältnisse waren schlecht. Der Deutsche Krieg zwischen Preußen und Österreich war gerade erst, 1866, zu Ende gegangen. Die Niederlage Österreichs führte zur Auflösung des Deutschen Bundes und zum Anschluss Nassaus, zu dem unser Gebiet nach dem Wiener Kongress gehörte, an Preußen und zur Bildung des Norddeutschen Bundes. Infolge des Krieges waren die Ernten schlecht. Weltwirtschaftskrise, Auswanderungswellen sowie Cholera-, Pocken- und Typhusepidemien machten das Leben schwer. In Niederwambach starben 1869 allein 66 Personen, davon 27 Kinder, an Scharlach. In Wahlrod herrschte eine bösartige ansteckende Krankheit – die Lungenentzündung. Viele Menschen verhungerten. Durch die Rinderpest hatte sich der Rindviehbestand erheblich verringert.

Doch zurück –

Kollektenreisen konnten bis zu einem halben Jahr dauern.

Das Reisen Ende des 19. Jh. war nicht so einfach und komfortabel wie heute.

Die ersten Autos, die in unserer Gegend in Gebrauch kamen, fuhren erst um 1900. Räder mit Luftbereifung gab es erst ab 1888.

Dafür gab es seit einigen Jahren Eisenbahnstrecken. Die Strecke Köln-Gießen (1862) hatte Haltestellen in Au und Wissen, die Strecke Betzdorf-Siegen (1861) in Kirchen und Herdorf. Altenkirchen wurde erst 1886 an den Haltepunkt Au angeschlossen. Das hieß, man musste irgendwie dorthin kommen.

1867 wurde im Haus Sachse in der Frankfurterstraße in Altenkirchen eine Postexpedition eingerichtet. Sechs Jahre später fuhr die Postkutsche am Haus Steckel, neben dem Postwegelchen (Hirz) nach Au ab. Weitere Kutschenwege waren von Flammersfeld aus eingerichtet. So konnte man über Straßenhaus nach Neuwied gelangen oder über Weyerbusch und Herchen, wo man wieder Anschluss an die Eisenbahn hatte.

Die Fahrt mit der Kutsche konnte sich aber nicht jeder leisten. Der Fahrpreis betrug sechs Silbergroschen pro Meile.

Daher – Personen reisten in aller Regel zu Fuß. Wer gut zu Fuß war, konnte eine Tagesleistung von 35 km erbringen, vorausgesetzt Straßenzustand und Witterung ließen es zu. Auch Lasten wurden zu Fuß transportiert. So wurde berichtet, dass auf dem Berg des Gielerother/ Herpterother Mühlenweg ein abgesägter Baumstumpf stand, auf dem die Leute, die das Getreide auf dem Rücken trugen, zum Ausruhen die Säcke abstellten.

Bereits seit dem Mittelalter gab es eine Reihe bedeutender Fernverkehrswege. Bei uns war das z.B. die Hohe Straße, heutige B8. Sie kam bei Kircheib in die Grafschaft Sayn, berührte Weyerbusch und Altenkirchen und verließ den heutigen Kreis Altenkirchen bei Gieleroth und ging weiter nach Höchstenbach. Eine Postverbindung wurde erst um 1750 eingerichtet.

Diese Straßen wurden auch bereits Anfang des 18. Jahrhunderts chausseemäßig in Fronarbeit ausgebaut. Da aber die Unterhaltung den angrenzenden Gemeinden oblag, verfielen sie weitgehend wieder. Die Hohe Straße zwischen Kircheib und Weyerbusch wurde 1817 als Feldweg mit Steinhaufen beschrieben. Durch den vielen Verkehr war sie an manchen Stellen gänzlich ausgefahren und kaum passierbar. Die Fuhrleute suchten sich neue Fahrbahnen daneben über Felder und Wissen und so wurden die Wege immer breiter. Auch die Rheinstraße von Flammersfeld an den Rhein war nicht mehr als ein ausgefahrener Weg, der in Regenzeiten die Fahrzeuge im Morast stecken bleiben ließ. An einer bestimmten Stelle im „Hommershof“ bei Schöneberg kam dies öfter vor und die Pferdegespanne mussten mit Vorspann herausgezogen werden. Die Fahrwege waren nicht befestigt und ausgebaut und waren in einem trostlosen Zustand. Die Dichterin Sophie La Roche schrieb: Es ist unbegreiflich, wie sehr man in manchen Gebieten von der doppelten Angst geplagt wird, entweder Arme und Beine zu brechen oder in dem zähen Kot, durch welchen man geschleppt wird, zu ersticken.

Zwischen Altenkirchen und Eichelhardt bestand der „Aalekärjer Weg“, der aber nur ein Trampelpfad war. Außer den Wegen, die zu Gehöften, Äckern, Wiesen und Haubergen führten und den Fernstraßen gab es keine eigentlichen Verkehrswege. So war z.B. der Besuch des Steimeler Marktes nur mit größten Schwierigkeiten und auf Umwegen möglich, da es noch keinen befahrbaren Weg nach Altenkirchen gab. Von einem regelrechten Straßenbau wusste man nichts. Runkel schreibt in seinem Buch „Der schöne Westerwald“: Das Wiedbachtal war sumpfig und bruchig. In wunderlichen Linien wählten die Wasser ihre Wege, hierhin, dorthin, mitten hindurch führte die Straße. Nur wo Felsblöcke den Untergrund bildeten, war sie fest. An anderen Stellen füllte man die Löcher mit dem Verwitterungsgestein der Berge aus und schüttete Erde darüber, die man festwalzte. Kam ein Regenwetter, so nahm es alles wieder mit.

Regelrechte Straßen entstanden erst in preußischer Zeit. Durch die verbesserte Straßenbautechnik von Mac Adams zur Herstellung festfundamentierter Kunststraßen erfolgte die systematische Anlegung von Straßennetzen. So wurden die Straßen nach Neuwied, Koblenz und Hachenburg ausgebaut. Der eigentliche Ausbau der Hohen Straße erfolgte Anfang des 19. Jh. Und erst 1876 wurde sie zur preußischen Provinzialstraße. Die Wilhelmstraße in Betzdorf war noch 1920 nicht gepflastert oder asphaltiert und in Altenkirchen sah es nicht besser aus. Die Straße nach Altenkirchen von Oberwambach aus wurde erst 1884-1903 gebaut und zwar vom Sohn des ehemaligen Vorstehers von Oberwambach, Heinrich Schumann.

Auch Brücken waren selten. Man ging durch eine Furt. Die Wiedbrücke nach Altenkirchen bei Almersbach entstand erst 1840. Wenn die Wege ausgebaut und die Brücken errichtet worden waren, wurde häufig von den Reisenden Chausseegeld verlangt. So waren z.B. die Straßen nach Koblenz und Hachenburg kostenpflichtig. An den Grenzen gab es Schlagbäume und jeder Durchgang kostete 2 Pfennige. Das entsprach etwa einer Dose Schnupftabak. Eine Kuriosität: die Grenze zwischen dem nassauischen Wahlrod und dem nur 4 km entfernten Gieleroth wurde erst nach 1866 niedergelegt. Fußgänger brauchten aber meistens nur ihren Pass vorzeigen. Juden, Reiter, Kutschen und Frachtwagen mussten bezahlen. Pfarrherrn, die noch weit wandern mussten, sagte man unter der Hand, dass es auch noch Waldwege gab.

Man orientierte sich an Routenbüchern und Karten. Die Bücher enthielten neben dem Gebetbuch eine Beschreibung des Landes, der gebräuchlichen Münzen, Maße und Gewichte. In gewissen Abständen hatte die preußische Regierung Meilensteine aufstellen lassen, auf denen die Entfernungen angegeben waren. Wirtshäuser und Herbergen gab es noch nicht viele. In Weyerbusch bot die Poststation Übernachtungsmöglichkeiten und wenn im Winter die Rheinbrücke nicht befahrbar war, blieb man im „Roten Löwen“ in Deutz. Die Gasthäuser im Westerwald wurden als klein und schief beschrieben. Die Stuben wären niedrig.

Unsere Kollektanten hatten als Wegzehrung für ein paar Pfennige Käse und Bier mitbekommen, ansonsten fanden sie Unterkunft und Verpflegung in den Pfarrhäusern an der Wegstrecke.

Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass Reisen in diesen Zeiten gefährlich war. Die Zeiten waren recht unruhig. 1866 fluteten preußische und hessische Truppen über die Straßen, die vom Deutschen Krieg zurück in die Heimat wollten. Fuhrleute beherrschten die Landstraßen und es war nicht ratsam, sich mit ihnen anzulegen. Allerlei Gesindel trieb sich in den Wäldern herum. Bekannt war die Leuscheid, wo sich lichtscheues Gesindel, Korbmacher, Besenbinder, Kesselflicker, Scherenschleifer, Bettelvolk, sogenannte „Zigeuner“ und Wilddiebe umhertrieben. Da hieß es aufpassen. Zum Schutz gegen die Räuber setzte man „reisiges Geleit“ ein.

Aber die Almersbacher Kollektanten hatten ein erfolgreiches Vorbild. Vor 10 Jahren waren die Sammler von Schöneberg, Pfarrer Franz und die Kirchenältesten, zu Fuß bis nach Linz gegangen, setzten dann auf die linke Rheinseite über und fuhren mit der Eisenbahn nach Krefeld. Sie berichteten, dass der Empfang in den Gemeinden am Niederrhein gut gewesen war und auch das Ergebnis zufriedenstellend.

Leider war die Kollektenreise der Almersbacher Kirchengemeinde nicht so erfolgreich. Sie stellten beim Präsidenten der Rheinprovinz einen Antrag auf Verlängerung der Kollektenzeit,

da sie sich von einer Sammlung nach der Ernte bessere Erträge erhofften.

Der Oberpräsident der Rheinprovinz Sommer genehmigte den Aufschub und die Sammlung war dann endlich zufriedenstellend.

Die Grundsteinlegung für die neue Kirche erfolgte am 18. Mai 1870, mitten im Deutsch-Französischen Krieg, und die Einweihung am 25. Oktober 1871.

Es kam zur Gründung des Deutschen Reiches, Wilhelm I. wurde Kaiser und Bismarck Reichskanzler. Ein großer Teil der Männer kämpfte in Frankreich. Auch wurde die Währung umgestellt vom Taler zur Mark. Kostete die Oberwambacher Kirche erst 7700 Taler, so waren es 1871 24 000 Mark.

Den Einwohnern von Oberwambach ist es zu verdanken, dass bis heute dort eine Kirche steht. Durch ihre Hartnäckigkeit, unerschütterlichen Glauben an das Gelingen, dass sie viele Mühen und Beschwernisse auf sich nahmen, oft vergeblich an Türen geklopft haben und doch nicht aufgeben haben, erhielten sie ihr Gotteshaus.