Seit 1994 arbeite ich in der Kindertagesstätte in Gieleroth. Corona hat in den letzten beiden Jahren verhindert, dass wir uns mit den Eltern, Freunden, Nachbarn und den Organisationen und Vereinen in unserem Einzugsgebiet und der näheren Umgebung treffen konnten. Viele Jahre haben wir immer eine Weihnachtsfeier mit Herrn Pfr. Triebel- Kulpe, den Kindern und den ErzieherInnen der Einrichtung gestaltet. Wir haben ganz wundervolle Erinnerungen daran auch wenn nicht nur wir oft sehr aufgeregt waren und wir manchmal, besonders wenn die Kinder mit richtigen Kerzen zum Klang des Weihnachtsliedes „Ihr Kinderlein kommet“ als Engel verkleidet in die Kirche einzogen, unsere Augen überall haben mussten. Umso mehr freue ich mich, dass ich heute noch einmal bei dieser Veranstaltung dabei sein kann und von den vielen Begegnungen und schönen Stunden berichten kann. Auf der Zielgeraden zur Rente ist das noch einmal so ein ganz besonderer Blick, der bestimmt auch von ein wenig Wehmut geprägt ist. Ich arbeite sehr gerne in meinem Beruf und die Kinder sind und waren immer ein guter Lehrmeister und eine wahre Bereicherung.
Ich bin in der Stadt aufgewachsen. Mitten in Kölle, wie man sagt. Das war auch sehr schön. Ich habe direkt am Eisstadion und Zoo gewohnt. Hatte die Möglichkeit Eishockey zu spielen und als Kinder hatten wir eine Jahreskarte für den Zoo, die damals 5 Mark kostete. Oft war der Zoobesuch mit Freunden unsere Nachmittagsbeschäftigung. Wir kannten fast alle Tiere mit Namen und die einzelnen Fütterungszeiten bestimmten unseren Gang durch den Zoo. Und dann der Spielplatz, mit der original alten Diesellock, die jetzt einen Ehrenplatz im Museum gefunden hat.
Seit ich hier im Westerwald lebe, seit über 40 Jahren, hat sich mein Blick jedoch verändert. Ich liebe es in der Natur zu sein, Früchte zu sammeln und zu verarbeiten und den Jahreskreislauf zu erleben. Das war mir vorher nicht so bewusst, weil ich es ja so nicht kannte. In unserer Kita haben wir uns einen Naturschwerpunkt gesetzt und versuchen, ganz viel Zeit mit den Kindern in der Natur zu verbringen, ihnen die Natur, deren Schutz und Einzigartigkeit und die Nachhaltigkeit nahe zu bringen. Oft sind wir erstaunt, wie schnell die Kinder, oder auch Kollegen, die diese Erfahrungen nicht kannten, sich dafür begeistern können und die kleinsten Details beobachten können. Z.B. die Erfahrungen am Bach, die jede umständliche Erklärung physikalischer Gegebenheiten hautnah erleben lässt, (was schwer ist geht unter und wird sehr langsam transportiert, ein trockenes Blatt schwimmt so schnell weg, dass man es kaum beobachten kann) oder die Begegnung mit dem kühlen Nass an den heißesten Tagen, die eine wahre Freude sein kann. Da kann ein ausgedehnter Spaziergang mit vielen Naturbeobachtungen schon einmal zum „schönsten Tag“ im Leben eines Kindes werden, wie so manche Kinder in all den Jahren sagten. Leider haben die starken Stürme der letzten Jahre ein unbeschwertes Genießen dieser Erlebnisse inzwischen oft verhindert. Wir hoffen, dass sich dies noch so ändern wird, dass wir die schönen Besuche am Bach auch wieder erleben können.
Aber je mehr Erfahrung ich in der Natur und in der Kita gemacht habe, desto öfter ist es mir aufgefallen, wie gut man diese beiden Begegnungen vergleichen kann und wie ich davon auch bildlich profitieren und lernen kann. Die vielen Jahre in der Kita waren von ganz unterschiedlichem Wetter und Ereignissen bestimmt.
Ich fühle mich oft wie so ein kleiner Förster oder Waldarbeiter, der das Wachstum beobachtet und versucht zu lenken. In manchen Zeiten überwiegt der Sonnenschein und alle kleinen Bäumchen und Pflanzen stecken ihre Spitzen freudig der Sonne entgegen und genießen die wohlige Wärme. Manchmal weht ein Sturm durch die Einrichtung und man muss versuchen, alle Pflänzchen davor zu schützen. Manchmal regnet es, manchmal auch sehr stark und man muss dafür sorgen, dass keiner zu viel aber alle genügend Feuchtigkeit abbekommen. Wenn es schneit, sieht es wunderschön aus und man hat sehr viel Spaß im Schnee. Aber man muss auch aufpassen, dass man nicht ausrutscht oder nass und kalt wird. Ideal ist, wenn man von allem etwas hat und man alles kennenlernt und damit umgehen kann. Dieser Vergleich ist der beste Lehrmeister in dem, was unsere Kinder in ihrem Leben an äußeren Gegebenheiten brauchen um daraus zu lernen und für das Leben zu profitieren.
Auch die Vielfalt der Bäume und Pflanzen in der Natur und unserer unmittelbaren Umgebung veranlasst mich immer, dies mit unserer täglichen Arbeit zu vergleichen. Manche wachsen wie eine 1 an den optimalsten Standorten und unter optimalen Bedingungen, andere haben es etwas schwerer, weil sie vielleicht erst genügend Wurzeln bilden müssen um den anderen ihre starken Zweige entgegen strecken zu können. Manche wachsen etwas langsamer, manche sehr schnell und sind dafür dünn und lang, während die anderen klein und stämmig sind. Aber jeder hat in seiner Eigenart eine besondere Schönheit und passt in das Bild des perfekten Waldes. Manche haben große Blätter und bieten einen besonderen Schatten, manche kleine Blätter, aus denen im Herbst die schönsten Kunstwerke entstehen. Manche haben Früchte, an denen sich die Tiere des Waldes erfreuen können, andere Dornen, die sie davor schützen angegriffen zu werden. Aber jeder in seiner eigenen Schönheit und Eigenart, die zusammen die Schönheit des Waldes ausmachen. Manche wachsen etwas schlechter, weil sie einen steinigen Boden haben oder sich durch einen Dornenbusch kämpfen müssen. Vielleicht bedürfen sie unserer besonderen Aufmerksamkeit und Hilfe? Auf jeden Fall sind alle gleich wichtig und richtig in diesem Wald. Die einen machen sich breit und denken, ihnen gehört der Wald und nehmen den anderen Pflänzchen das Licht und die Luft weg. Da muss der Förster oder Waldarbeiter manchmal ein wenig nachhelfen um das Gleichgewicht wieder herzustellen und jedem seinen Lebensraum für die Schönheit des Waldes zu bieten. Aber alle sind gleich wichtig und richtig in diesem Wald.
Allen steht der Lebensraum zur Verfügung und für alle bietet der Wald genügend Lebensbedingungen. Das weiß der Förster oder Waldarbeiter ganz genau. Manche kleineren oder größeren Verletzungen der Rinde oder der Äste müssen liebevoll behandelt werden, damit sie heilen können und die Pflanzen und Bäume wieder weiter wachsen und stark werden können. Und man muss jeden einzelnen Baum stets im Auge haben um zu sehen, ob es ihnen gut geht und sie alle Möglichkeiten zum Wachstum haben. Das Gleichgewicht zwischen den älteren und noch jungen Pflanzen und Bäumen muss stets im Blick sein, damit der Wald wachsen kann und seine Schönheit erhalten bleibt. Sie müssen erfahren, Sturm, Wasser, Kälte und Hitze zu erleben. Das eine macht stark und fest, das andere lässt ihn wachsen, eins macht ihn widerstandsfähig, das andere besonders schön und verleiht einen besonderen Glanz. Alles zusammen ist wichtig und stärkt das Wachstum. Manchmal sieht man es nicht gleich aber man spürt später, dass es nötig und wichtig war dies zu erleben. Ganz besondere Freude kommt auf, wenn die starken, großen Bäume ihre Samen und Früchte abwerfen und die kleinen neuen zarten Bäumchen und Pflanzen in diesem Wald genauso gedeihen wie ihre fast ausgewachsenen Beschützer. Die Schönheit und Stärke des Waldes kann nur bestehen, wenn jedes Bäumchen und Pflänzchen seinen Platz hat und die Möglichkeit hat starke Wurzeln zu bilden und genügend Licht für seine Bedingungen zu bekommen.
Ich wünsche uns allen, dass wir, wie in der Natur, alle nach unseren eigenen Bedingungen zusammen leben können, uns die Wachstumsmöglichkeiten geben können, die wir brauchen, so wachsen, dass wir keine anderen Bäumchen oder Pflanzen beschädigen oder ihnen die Luft zum Atmen nehmen und gemeinsam die Schönheit und Stärke des Waldes und den Jahreskreislauf genießen können. Dass wir, als Förster und Eltern darauf achten, dass wir wie in Sprüche 6 ,Kapitel 22, Vers 6, „die Verantwortung tragen unsere Kinder zu erziehen. „ Erziehe dein Kind schon in jungen Jahren – es wird die Erziehung nicht vergessen, wenn es älter wird“
Bleiben Sie verschont von heftigen Stürmen, die das Herz einer Landschaft zerstören können, so wie wir es im letzten Jahr mit Freunden an der Ahr erlebt haben, die in den Fluten ertrunken sind und deren 22jähriger Sohn immer noch vermisst wird. Es handelt sich um den Hausmeister und die Küchen- und Dekofee aus unserer Gemeinde. In der ersten Zeit waren wir so fassungslos, dass wir gedacht haben, die sind niemals zu ersetzen. Das stimmt auch, aber so langsam kann man sehen, welche Samen sie vorher als große kräftige Bäume gesät haben. Man kann beobachten, dass kleine Bäumchen wachsen, die immer größer und stärker werden. Sie werden gehegt und gepflegt und haben so die Möglichkeit, eines Tages als stattliche Bäume dazustehen und die Aufgaben ihrer Vorfahren zu übernehmen. Da fehlen jetzt schon mal die Teller auf dem Buffet oder keiner hat an Servierten gedacht und die letzten Reste müssen für den Kirchenkaffe zusammengekratzt werden. Aber die kleinen Bäumchen wachsen und werden größer. Und eines Tages werden sie auch ihre Samen abwerfen und Schatten spenden.
Ich wünsche ihnen, dass Sie, wenn es nötig ist, wie Jona aus der Bibel, immer den nötigen Schatten finden, der Ihnen zu dieser Zeit gut tut, dass Sie und Ihre Familien immer die optimalen Wachstumsbedingungen haben, die einen stattlichen Wald heranwachsen lassen und dass Sie vor heftigen Stürmen bewahrt bleiben. Gott segne Sie.